Frühstück mit der Drone

Es ist Krieg.

So endet der erste Abschnitt im Tagebuch von Atef Abu Saif über den Krieg im Gaza Streifen in 2014. Vorerst spürt man aber nichts vom Krieg. Atef schildert, wie er mit Freunden bei der Abendlichen Wasserpfeife zusammensitzt. Doch lange hält die Idylle nicht, schon bald wird von den ersten Einschlägen der Raketen und den ersten Opfer berichtet. Was folgt ist das Tagebuch von Atef während dem 51 Tage dauernden Krieg in Gaza im Jahr 2014.

Atef erzählt, wie die ersten Lichtblitze die Nacht erhellen und Donnergrollen den Schlaf rauben. Er berichtet von seinem verzweifelten Versuch, trotz Krieg einen geregelten Tagesablauf zu haben. Er beschreibt, wie er ständig jede Neuigkeit über neue Einschläge und neue Opfer erfahren will. Wir erleben die Erleichterung und gleichzeitige die Anspannung mega pizza , das Misstrauen, bei jeder kurzen Waffenruhe. Und ständig die Gegenwart der Drohne, die alles zu sehen scheint und immer bereit ist, mit tödlicher Präzision zuzuschlagen.

Und Atef stellt sich auch der Herausforderung, die ganz nah erlebten, schrecklichen Szenen zu notieren. Der Versuch, Opfer aus Trümmern zu bergen und nur Teile von Menschen zu finden. Der Schmerz von Müttern, die ihre Kinder beerdigen müssen. Die Ohmacht eines Bauern, dessen Hof und Maschinen nur noch ein Haufen Schrott sind. Und seine eigene Unfähigkeit, seinen Kindern zu erklären wann der Krieg zu Ende ist. Oder ob sie diesen Abend sterben.

Atef beschreibt den Krieg aus seiner Perspektive, als etwas willkürliches. Es ist ein Glückspiel. Atef und die Leute im Gazastreifen sind den Launen und Spielen der Piloten und Steurmänner der Drohnen ausgeliefert. Sie sind die Charakter eine Videospieles, die nach belieben abgeknallt werden.

Was im Buch nur am Rand vorkommt ist die politische Dimension des Konfliktes. Es gibt keine direkten Beschuldigungen und Vorwürfe an die Agressoren. Indirekt ist das Buch aber natürlich eine unverholene Anklage an den unverhältnissmässigen und ziellosen Terror der Israelis. Die Leute im Gazastreifen, die als ganz normale Menschen einfach ein friedliches Leben führen möchten, werden scheinbar grundlos angegriffen. Mit keinem Wort wird darauf eingegangen, ob es auch im Gazastreifen Militär oder Kämpfer gibt. Die Frage stellt sich, ob ein aus so offensichtlich einseitiger Perspektive geschriebenes Buch ernst genommen werden darf.

Das  Tagebuch von Atef darf aber nicht einfach als Propagande abgeschrieben werden. In keinem Krieg gibt es einfach die Guten und die Bösen. In jedem Krieg leiden auch Menschen, die sich eigentlich nur ein gutes Leben wünschen. Wie Atef und die Menschen um ihn herum. Es ist müssig zu diskutieren ob sie auch schuldig sind, im kollektiven Sinne, ob sie die Zerstörung verdient haben. Müssig, weil sie leben wollen. Und doch wissen sie, dass dies nicht in ihrem Ermessen liegt.

Nach siebenundvierzig Tagen Angriffen und der unerträglichen Last des Versuchs zu überleben, ist es letztendlich egal. Du kannst dir nicht aussuchen, ob du lebst oder stirbst.

Atef Abu Saif, Frühstück mit der Drohne. Tagebuch aus Gaza, aus dem Englischen von Marianne Bohn, Zürich: Unionsverlag, 2015